XIII. Kolloquium der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

XIII. Kolloquium der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

Organisatoren
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Berlin
Ort
Suhl
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
01.03.2023 - 04.03.2023
Von
Felix Schneider, Institut für Geschichte, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Auf dem Ringberg über Suhl fand auch im Jahr 2023 das Kolloquium der Stipendiatinnen und Stipendiaten der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur statt. Die Leiterin des Arbeitsbereichs Wissenschaft, Franziska Kuschel, begrüßte die Teilnehmer:innen im Rahmen der 15. Geschichtsmesse, die dem Thema „Konflikt und Zusammenhalt“ gewidmet war.

THOMAS STEGMAIER (Passau) öffnete das interdisziplinäre Schaufenster mit einer filmwissenschaftlich-historischen Betrachtung der DEFA-Filmreihe „Das Stacheltier“ (1953-1964). Für den Zeitraum der 1950er- und 1960er-Jahre soll unter dem gleichnamigen Titel die filmische Satire der frühen DDR beispielhaft dahingehend untersucht werden, inwiefern satirische Kritik möglich war und welche gesellschaftliche Funktion sie erfüllte. Dies wird vor dem Hintergrund zentraler gesellschaftlicher Prozesse und Ereignisse der Zeit, wie dem Mauerbau 1961, betrachtet. Stegmaier unterscheidet zwischen „Satire nach innen“ (DDR) und „Satire nach außen“ (Westen), die in ca. 180 von ihm gesichteten Folgen, je nach Zielrichtung, grundsätzlich anders konzipiert gewesen seien. Zwar funktioniere Satire immer über einen Entlarvungsmechanismus, dieser sei jedoch bei Folgen mit Westkontext immer mit einer politischen Dimension versehen – zum Beispiel zur NS-Vergangenheit oder Kritik an der vermeintlich einseitigen Aufrüstung unter Adenauer. Der spezielle Charakter der „Satire nach innen“ bestehe darin, Kritik zu äußern, die nicht überindividuell sein, also beispielweise einen Landwirt, aber nicht die gesamte LPG betreffen durfte. Um dies sicherzustellen, seien die Folgen zuvor geprüft und einige auch nie ausgestrahlt worden. Aufgrund der recht einfachen Produktion sei dieses Format jedoch lange gut zur Planerfüllung geeignet gewesen, was Satire, neben der politisch als notwendig erachteten Kritik gegen den „Klassenfeind“, auch in der eigenen Logik der SED-Diktatur lohnenswert gemacht habe.

Anschließend widmete sich KRISTINA GUNNE (München) der Geschichte des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in beiden deutschen Nachkriegsstaaten im Zeitraum von 1946 bis 1994. Damit ergänzt sie die aktuelle Forschung zu diesem Thema um eine deutsch-deutsche Perspektive.1 Im Zentrum steht für Gunne die internationale und nationale Bedeutung der Suchdienste sowie deren gesellschaftliche Wahrnehmung. Obwohl sich der Suchdienst in Ost und West, trotz anfänglicher Bemühungen um eine gesamtdeutsche Lösung, getrennt institutionalisiert habe, habe es sich weiterhin um Akteure der gleichen Organisation gehandelt. Gunne möchte sich mit dem Kindersuchdienst, der Familienzusammenführung und der Betreuung von Häftlingen in der DDR drei zentralen Arbeitsfeldern widmen, die es ermöglichen sollen, jeweils Aspekte wie die Zusammenarbeit der Dienste, den Einfluss politischer Zäsuren und die Verstrickung in internationale Zusammenhänge zu untersuchen. So sei es möglich, organisations- und humanitätsgeschichtliche Aspekte – nach Möglichkeit durch biografische Elemente bedeutender Fallbeispiele ergänzt – zu verzahnen.

Als deutsch-deutsche Kriminalgeschichte präsentierte JULIA KRETZSCHMANN (Berlin) einen Fallbericht zur „Beschaffung von Kunstgegenständen und Antiquitäten in der DDR für den Verkauf ins westliche Ausland“. Ziel des Projektes ist es, die „Verbindungen und Mechanismen“ der Akteure der Kunst und Antiquitäten GmbH, einem Außenhandelsunternehmen im Bereich der Kommerziellen Koordinierung (KoKo), so transparent zu machen, dass es möglich wird, das „[s]oziale Netzwerk zur Beschaffung von Kulturgütern im Binnenland der DDR“ zu durchdringen. Neben diesem Haupterkenntnisinteresse strebt Kretzschmann auch an, ihr Projekt digital zugänglich und für weitere Forschungen nutzbar zu gestalten.2 Anhand der Provenienz eines Gemäldes aus dem späten 16. Jahrhundert verdeutlichte sie sodann ihr Vorgehen: Die Darstellung einer Seeschlacht, das Werk eines bedeutenden italienischen Malers, sei im Laufe von drei Jahrhunderten auf verschlungenen Wegen zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Potsdam und dort nach 1945 in den Zugriffsbereich des staatlichen Antiquitätenhandels gelangt. Anhand der Tatsache, dass es zentralen Akteuren in diesem und weiteren Fällen möglich gewesen sei, die Kunstwerke – und nicht zuletzt auch sich selbst – aus der DDR zu befördern und persönlichen finanziellen Vorteil daraus zu ziehen, lasse sich nicht nur ein devisenhungriger Staat, sondern auch ein erhebliches privates Profitinteresse beobachten.

Mit einer rechtshistorischen Perspektive auf Scheidungsurteile in der SBZ/DDR und in Volkspolen präsentierte PAWEŁ KAŹMIERSKI (Jena/Krakau) ein Projekt, in dem er sich auf die Bezirke Rostock, Neubrandenburg und Schwerin sowie das nordwestpolnische, an Mecklen- und Brandenburg grenzende Pomorze Zachodnie zwischen 1945 und 1958 konzentriert. Kaźmierski stellt das Spannungsverhältnis zwischen sozialistischem Familienrecht und Religionsfreiheit ins Zentrum seiner Untersuchung. Es gelte, die Etablierung, den Wandel und die Bedeutung antireligiöser Diskriminierung von religiösen Ehepartner:innen gegenüber als „fortschrittlich“ betrachteten Ehepartner:innen zu ergründen. Dazu seien einerseits die konfessionellen Prägungen des evangelisch-lutherischen Nordens der SBZ/DDR und des tief katholischen Polens zu bedenken, andererseits aber auch eine unterschiedliche Geschwindigkeit bei der Etablierung der neuen staatlichen Ordnung. Vor allem die Glaubensprägung habe sich durchaus auf die Akzeptanz religiöser Weltanschauungen ausgewirkt, die in Volkspolen höher gewesen sei als in der DDR.

Von der transnational-vergleichenden Betrachtung der frühen DDR führte ERIK FISCHER (Leipzig) auf die Mikroebene der Stadt Leipzig von den 1980er-Jahren bis 2005. Mit dieser Perspektive auf die „Schule im Umbruch“ und die lange Geschichte von Wandlungsprozessen bis 1989/90 und Transformation in den Folgejahren im Bildungswesen der sächsischen Großstadt sucht Fischer eine ganze Reihe von Forschungsfragen zu beantworten. Sein wesentliches Interesse gilt der komplexen Verschränkung von lokal bereits seit den 1980er-Jahren organisierten Akteuren, den im Transformationsprozess neu aufkommenden Vermittlungsinstanzen (z.B. Gewerkschaften) und den Verwaltungsinstanzen, deren Akteure in Teilen bereits in der DDR entsprechende Funktionen innegehabt hätten. Hier seien, so Fischer, Lehrer:innen auf politische Unbedenklichkeit überprüft worden, ohne dass die Prüfer zuvor auf ähnliche Weise hinterfragt worden wären. Diese Personalentscheidungen seien aber nur ein „Hotspot der Bildungstransformation“. Daneben hätten Fragen nach inhaltlicher und formeller Ausgestaltung und Verwaltung von Schulen sowie demographischen Entwicklungen als solche „Hotspots“ die 1990er-Jahre bestimmt. Schließlich gelte es aber auch zu hinterfragen, inwiefern dieser lokalgeschichtliche Ansatz einen Beitrag zu einem komplexen Verständnis der Transformationszeit liefern könne.

FRANK KELL (Mannheim) erläuterte sein Projekt zu Betriebsvereinen in Nordthüringen. Anknüpfend an Wolfgang Englers Begriff der „arbeiterlichen Gesellschaft“3 sei die Geschichte der Betriebs- und Bergmannsvereine in Artern, Bischofferode, Bleicherode, Nordhausen, Sömmerda, Sondershausen und Roßleben besonders gut geeignet, um den Zerfall dieser Ordnungsvorstellung zu untersuchen. Die tiefe Prägung des kulturellen Lebens einer ganzen Region stehe als Fallbeispiel für andere Industrieregionen Ostdeutschlands, die mit der Wiedervereinigung eine massive Deindustrialisierung durchlebt habe. Anhand von in den Vereinen überlieferten materiellen und schriftlichen Quellen sei es möglich, „artikulierte Erinnerungsmuster und Erzählformen“ zu bestimmen, die eine „postsozialistische Erinnerungsgemeinschaft“ konstruierten.

ANNA HESSE (Mainz/Paris) stellte ihr Projekt zu den ostdeutschen Bundestagsabgeordneten der 12. Legislaturperiode (1990-1994) vor. Hesse untersucht die Erfahrungen, Wahrnehmungen und Praktiken von zehn der 128 in der DDR sozialisierten und in den dann Neuen Bundesländern gewählten Abgeordneten, deren Ostdeutschsein ein zeitgenössisches Narrativ sei. Dieses gelte es ebenso zu dekonstruieren und zu historisieren wie die sozialwissenschaftliche Begleitung des Transformationsprozesses und der Abgeordneten in diesem. Damit knüpft Hesse an eine ganze Reihe gegenwärtiger Projekte zur Parteiengeschichte der 1990er-Jahre an.4 Ihre Studie stützt sich einerseits auf die reale Zusammensetzung des gesamtdeutschen Parlaments, bezieht also je zwei Personen aus jeder vertretenen Partei sowie, gemäß der Verteilung im Bundestag, Männer und Frauen ein. Andererseits seien die Abgeordneten eine „sehr heterogene Gruppe“ und hätten vielfältige und individuelle Zugänge zur Politik gefunden. Anstatt einen idealtypischen ostdeutschen Abgeordneten zu bestimmen, sei es nötig, „Facetten und Widersprüche“ aufzuzeigen und die gemeinsamen, für diese Zeit spezifischen Herausforderungen der Gruppe herauszuarbeiten.

Von der Bundeshauptstadt Bonn und den hier in neuer Tätigkeit Gewählten wurde die Perspektive dann in Richtung der ab 1990 neu geschaffenen Administrationsorgane in Mitteldeutschland gewendet. Insbesondere die Verwaltung von Arbeitslosigkeit war für die gerade vergangene DDR ein Novum. HANS-HEINER HOLTAPPELS (Bochum) widmete sich der Etablierung der Arbeitsverwaltung von 1990 bis 1997. Ausgehend von Fallbeispielen wie dem Modellarbeitsamt Arnstadt sei es möglich, anhand von Aktenbeständen und Oral-History-Interviews mit Akteur:innen der Aufbauphase eine Geschichte aus Sicht dieser unteren Behördenebene exemplarisch für das gesamte Gebiet der ehemaligen DDR zu schreiben. Der konkrete Ablauf habe dabei stark von der Initiative eben dieser Akteur:innen abgehangen. Durch erste Besuche einzelner Personen in Westdeutschland habe früh ein Austauschprozess eingesetzt, dessen grundsätzliches Problem darin gelegen habe, dass – wie auch im Falle der Treuhand – kein Plan für den Fall einer Wiedervereinigung vorgelegen habe. Insofern liege ein zentrales Erkenntnissinteresse des Projektes darin, die Rolle der westdeutschen Vertreter:innen zu hinterfragen, das durch sie wirkende Arbeitsförderungsgesetz als Experte zu betrachten und dann mit den Vorprägungen der ostdeutschen Akteur:innen in Beziehung zu setzen.

Einen gänzlich anderen methodischen Zugang zum Thema der Etablierung des neuen Arbeitsmarktes auf dem Gebiet der ehemaligen DDR verfolgt indes KRISTOF TRAKAL (Potsdam-Babelsberg). Mit einer Kombination aus audiovisuellen Oral-History-Interviews und historischem Reenactment möchte Trakal die „postsozialistische Subjektivierung durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM)“ untersuchen. Die ABM seien eine spezifische Form der postsozialistischen Arbeitserfahrung von 1990 bis zur Etablierung der Hartz-Reformen 2003 gewesen. Deutliche Widersprüche macht Trakal dabei insofern aus, als dass die Maßnahmen zwar weder den Qualifikationen und Interessen der so Beschäftigten entsprochen hätten, sie aber gleichzeitig außerhalb des konkurrenzbasierten neuen Arbeitsmarktes auf flache Hierarchien gestoßen seien. Es würden daher auch nur diejenigen Personen interviewt und auch zu „nicht-verbalen Formen des Erinnerns“ wie dem „Nachperformen von Arbeitsabläufen“ befragt, die im Untersuchungszeitraum mindestens an einer dieser ABM teilgenommen hätten. So ergebe sich eine ostdeutsche Perspektive auf die Arbeitsmarktpolitik, die damit verbundenen erinnerungspolitischen Debatten und langfristigen Folgen wie die anhaltende Strukturschwäche weiter Teile der ostdeutschen Bundesländer. Es sei nötig, diese Arbeit mit den Beteiligten in Form eines Workshops zu evaluieren. Ziel dieses Projekts ist neben der schriftlichen Arbeit auch ein künstlerisches Forschungsprojekt, in dessen Rahmen die filmische Dokumentation des Beschriebenen zu einem Dokumentarfilm verarbeitet werden soll.

Vom umkämpften Arbeitsmarkt führte ALEXANDER MENNICKE (Leipzig) anschließend in die Fankurven der Fußballstadien. Beginnend mit der Vorgeschichte gegenwärtiger Identitätsbekundungen wie „Ost-, Ost-, Ostdeutschland“-Rufen erläuterte Mennicke die herausgehobene Bedeutung der Fußballstadien als „Möglichkeitsräume für Schmähgesänge gegen die politische Führung“ des SED-Regimes. Gleichzeitig sei die BRD allerdings ein Sehnsuchtsort gewesen, der jedoch, nach der Gründung des gemeinsamen Ligasystems 1991, zunehmend als positiver Referenzrahmen verloren gegangen sei. An die Stelle dieses Bezugs seien die „Phantomgrenzen“ des „Phantomraums“5 Ostdeutschland getreten. Mennicke möchte sich, nachdem die von ihm als großes Desiderat identifizierte Lücke der langen Linien einer Fan- und Fußballgeschichte geschlossen ist, anhand einiger Fallbeispiele der gegenwärtigen Rolle der DDR in den Stadien Ostdeutschlands und deren Genese seit 1990 zuwenden. Als wichtiger Teil der Quellenbasis sollen Gruppeninterviews dienen. Dadurch könnten Aushandlungsprozesse und Diskursverschiebungen erkannt und die Facetten des Phänomens ostdeutscher Identitätsangebote unter „aktionszentrierten“ Fußballfans analysiert werden.

Ein weiteres Phänomen, das sich an keine Grenzen hält, ist die Umweltverschmutzung. Diesem großen, aktuell stark beforschten Feld widmeten sich die beiden letzten Vorträge des Kolloquiums.

SASCHA OHLENFORST (Aachen) befasst sich mit einem umweltrechtsgeschichtlichen Projekt zur Sanierung von Werra, Weser und Elbe zwischen 1968 und 1989. Anhand dieser Flüsse lasse sich die internationale Dimension der umweltrechtlichen Probleme gut verdeutlichen, die die deutsch-deutsche Auseinandersetzung über die von der Volkswirtschaft der DDR wesentlich verursachte Verunreinigung mit sich gebracht habe. Ohlenforst betonte auch über rein rechtliche Fragen hinausgehende Aspekte, wie die Absicht der DDR, sich über das Politikfeld Umweltschutz international Anerkennung als „Pionier“ zu verschaffen. Gleichzeitig habe man sich jedoch von der Sanierung keine wirtschaftlichen Vorteile versprochen. Deshalb sei das Beharren der DDR auf dem Nutznießerprinzip und die damit verbundene Kostenübernahme durch die Bundesrepublik als vorgeschobenes Argument gegen die bundesdeutsche Forderung zu betrachten, das Verursacherprinzip anzuwenden. Im Rahmen des Projekts gehe es allerdings nicht darum, einfache Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge der internationalen (Umwelt-)Politik und des Umweltrechts herauszuarbeiten, sondern die Interessen der beteiligten Akteure (DDR, Bundesrepublik, Bundesländer und Kali-Industrie) zu ergründen und die folgenden, konflikthaften Aushandlungsprozesse auf ihre internationalen Aus- und nationalen Rückwirkungen hin zu untersuchen.

Ebenfalls ein Umweltthema bearbeitet THORBEN PIEPER (Bochum). Er widmet sich den Altlasten, den sie begleitenden Umweltexpertisen und der Wahrnehmung (ost-)deutscher Räume. Ausgehend von der Erkenntnis, dass allein die Wörter „Altlasten“ und „Altlastensanierung“ in den 1990er-Jahren eine erhebliche, wenn auch kurzweilige, Konjunktur erfahren haben, möchte Pieper das Umweltpolitikfeld Altlasten zwischen 1980 und 2000 untersuchen. Drei verschiedene Ebenen stehen im Zentrum der Untersuchung: die Akteure aus West und Ost sowie ihr Zusammentreffen und -arbeiten, die eigentliche Etablierung des Politikfeldes und schließlich die Frage, welche Expertisen und Ideen dieses Feld in unterschiedlichen Phasen geprägt haben. Durch den Rückgriff auf die 1980er-Jahre sei es möglich, eine „lange, zäsurenübergreifende Transformationsgeschichte der Altlasten als Ideen-, Handlungs- und Gestaltungsraum der ostdeutschen Transformations- und Umbruchsgesellschaft“ zu schreiben, die sich methodisch nicht allein im Feld der Umweltgeschichte bewege. Pieper greift dafür neben vielfältigen archivalischen Quellen auch auf Oral-History-Interviews zurück.

In der Abschlussdiskussion wurde in einer Zusammenschau der aktuellen Promotionsprojekte besonders der zunehmende Fokus auf deutsch-deutsche und internationale Transformationsgeschichte(n) betont, den die Beiträge des diesjährigen Stipendiat:innenkolloquiums zweifelsohne erkennen lassen. Die zunehmende Erforschung der 1990er-Jahre sowie die Öffnung für methodisch vielfältige Ansätze seien an dieser Stelle ausdrücklich als innovative Perspektiven der Aufarbeitung hervorgehoben.

Konferenzübersicht:

Thomas Stegmaier (Passau): „Das Stacheltier“ – Filmische Satire in der DDR

Kristina Gunne (München): Die Suchdienste des Deutschen Roten Kreuzes in der Bundesrepublik und DDR. Eine Beziehungsgeschichte zwischen humanitärem Auftrag und Politik im Kalten Krieg, 1946 bis 1994

Paweł Kaźmierski (Jena/Krakau): Antireligiosität in erster Instanz? Scheidungsurteile in der SBZ/DDR und in Volkspolen am Beispiel der Gerichtspraxis in Mecklenburg-Vorpommern (1945-1958) und in Pomorze Zachodnie (1945-1956)

Julia Kretzschmann (Berlin): Leergeräumt und ausverkauft? – Die Beschaffung von Kunstgegenständen und Antiquitäten in der DDR für den Verkauf ins westliche Ausland

Erik Fischer (Leipzig): Schule im Umbruch. Die Transformation des Bildungswesens im Leipziger Raum (1985-2005)

Frank Kell (Mannheim): Erinnerungen an die „arbeiterliche Gesellschaft“ – Betriebsvereine in Nordthüringen und die Erosion eines ostdeutschen Gesellschaftskonzepts nach 1989/91

Anna Hesse (Mainz/Paris): Zwischen Bonn und Bautzen: Die ostdeutschen Abgeordneten des 12. Bundestages und die politisch-kulturellen Transformationsprozesse in der Bundesrepublik (1990-1994)

Hans-Heiner Holtappels (Bochum): Neue Arbeitslosigkeit managen: Der Aufbau der Arbeitsverwaltung in den neuen Bundesländern

Kristof Trakal (Potsdam-Babelsberg): Die Maßnahme – postsozialistische Subjektivierung durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und ihr dokumentarisches Reenactment

Alexander Mennicke (Leipzig): „Wir kommen aus dem Osten und leben auf eure Kosten …“ Ostdeutsche Identitäten und das Vermächtnis der DDR in deutschen Fußballstadien

Sascha Ohlenforst (Aachen): Die Sanierung von Werra und Elbe als umwelt- und völkerrechtliches Problem in den deutsch-deutschen Beziehungen 1968-1989

Thorben Pieper (Bochum): Verseuchte Landschaften wiederherstellen. Umweltexperten, Altlastensanierung und die Wahrnehmung ostdeutscher Räume

Anmerkungen:
1 Maren Hachmeister, Selbstorganisation im Sozialismus. Das Rote Kreuz in Polen und der Tschechoslowakei 1945-1989 (= Schnittstellen, Bd. 14), Göttingen 2019.
2 Dies strebt sie im Rahmen der Open-Science-Plattform GO FAIR (findable, accessible, interoperable, reusable) an; siehe dazu: GO FAIR initiative: Make your data & services FAIR (go-fair.org), (zuletzt aufgerufen am 16.3.2023).
3 Wolfgang Engler, Die Ostdeutschen: Kunde von einem verlorenen Land, Berlin 1999, hier: S. 173-208.
4 Aktuell entstehen diverse Arbeiten zu den einzelnen Parteien; siehe dazu jüngst: Thorsten Holzhauser, Die „Nachfolgepartei“. Die Integration der PDS in das politische System der Bundesrepublik Deutschland 1990-2005, Berlin/Boston 2019.
5 Hannes Grandits / Béatrice von Hirschhausen / Claudia Kraft / Dietmar Müller / Thomas Serrier, Phantomgrenzen. Räume und Akteure in der Zeit neu denken, Göttingen 2015.